Den Samstag Abend war ich zu einer Party bei meinem Freund Levi eingeladen. Levi ist ein Dreijähriger im Körper eines Riesen. Den dreijährigen kann man finden wenn man es schafft Levi zum lachen zu bringen. Die Party sollte um 22 Uhr starten, ich machte mich um elf auf den weg um wenigstens halbwegs pünktlich zu sein.
Horst hob den
Kopf, als ich die Tür quietschend öffnetet. Er lag in seiner
üblichen Ecke, von Jack war keine Spur zu sehen.
„Nabend
Horst.“
Er schnaufte
nur,
„Wo steckt
denn Jack?“ fragte ich und versuchte mich möglichst unauffällig
umzusehen.
„Ist aus.“
war Horsts Antwort.
„Ah. Und wo
aus?“
„Keine
Ahnung. Ist mir auch egal.“
Als ich meine
Fahrrad abgeschlossen, das Schloss verstaut und schon die Tür
erreicht hatte kam mir ein Gedanke, der mir nicht so richtig bekam.
„Horst?“
„Was denn
noch?“
„Wenn du
sagst Jack ist aus... meinst du dann jagen?“
„Wie gesagt
keine Ahnung.“
Horst hatte
seine Ohren angelegt und sah zu Boden.
„Und du
willst es auch gar nicht wissen.“
„Nee.“
„Kannst du
mir dann wenigstens sagen wo er heute Nacht ist? Ich wollte nochmal
weg und hab keine Lust ihm zu begegnen wenn er...“
Ich machte
eine Geste als ob ich jemanden packen wollte.
„Irgendwo
Richtung Pankow glaube ich.“
„Okay,
gut.“ Levi wohnte Richtung Friedrichshain. Ich hatte die Klinke
schon in der Hand und lies sie wieder los.
„War Jack
eigentlich mal ein richtiger Mensch?“
Horst
überlegte.
„Ich glaube
nicht. Nee ich denke er ist als Werwolf geboren und aufgewachsen.
Deswegen hat er auch mit dem Werwolfdasein weniger Probleme als
Menschen die zu Werwölfen werden.“
„Und ist
Jack dann überhaupt sein richtiger Name oder hat er nur einen
Wolfnamen. Heißt er vielleicht...“ Ich knurrte kurz.
Horst bleckte
das Gebiss.
„Sein
voller Name ist Jack Wolfskin.“
„Quatsch.“
„Doch ich
schwöre es.“
„Aber das
ist doch eine Modefirma.“
„Ja und
Jack ist in irgendeiner Art mit dem Gründer verwandt. Was denkst du
denn warum die Firma Wolfskin heißt.“
„Weil es
eine Outdoor Firma ist und der Name cool und nach Natur klingt.“
„Ja das
denken die meisten. Ist aber nicht so.“
Im Hausflur
stand eine dunkel angezogene Gestalt neben der Treppe und tippte auf
seinem Blackberry herum.
„Hey lange
nicht gesehen.“
„HALLO.“
„Was machst
du denn hier?“ Plötzlich hatte ich ein ungutes Gefühl. Sollte
Jack etwas genau jetzt von einer erfolglosen Jagd zurückkommen und
in mir eine leichte Beute finden?
„Geht
es...“ Ich musste mich räuspern
„Geht es um
mich?“
„NEIN, ICH
BIN NICHT WEGEN DIR HIER. NOCH NICHT.“
Ich atmete
auf. Aber nur ein bisschen.
„Noch
nicht?“
„JA.“
ich versuchte
abzuschätzen wie lange ich warten musste, um „'noch nicht' zu
erschöpfen und kam zu keinem eindeutigen Ergebnis, also wartete ich
einfach ab. Wir standen im Hausflur herum, er starrte auf sein
Blackberry, ich spielte an meiner Fahrradbremse herum.
„ICH WÜRDE
MICH GERN EINMAL IN RUHE MIT DIR UNTERHALTEN, WENN ICH NICHT DURCH
DIE PFLICHT GEBUNDEN BIN.“
„Klar
doch.“ stotterte ich. „Und wann?“
„ICH KOMME
AUF DICH ZU WENN ICH ES EINRICHTEN KANN.“
„Klingt
gut. Wir können was essen gehen und dabei reden. Das Gilgamesh hier
um die Ecke ist echt gut und...“
Tod sah mich
an und ich konnte den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht deuten.
„Isst du
eigentlich?“
„ES IST
NICHT NOTWENDIG FÜR MICH, ABER ICH KANN ES EINRICHTEN, WENN MIR
DANACH IST.“
Ich nickte
nur. Schweigen näherte sich gut gelaunt, wurde von Tod mit einem
Blick empfangen und verzog sich schleunigst. Leere zwischen uns
ersetzte Schweigen und wurde von Tod geduldet. Aber auch Leere fühlte
sich in seienr Gegenwart offensichtlich nicht wohl. Sie schwitzte.
„Gut, ich
muss dann auch los.“ sagte ich schließlich und mit einem hörbaren
Seufzen verschwand Leere.
„WIR SEHEN
UNS SPÄTER.“
Ich erstarrte
wieder.
Weitere
Minuten vergingen. Leere kam mit traurigem Blick zurück.
„Okay dann
mach ich mal los.“
Diesmal
nickte er nur und hob den Blick gar nicht vom Blackberry. Ich nutzte
den Moment aus und verließ schnell den Hausflur bevor er etwas
antworten konnte.
Die Party war
der Hammer. Es gab Rockmusik, einen voll gefüllten Tisch mit Essen,
Bier und Alkohol und Busenmemory. Letzteres wurde mit einer
halbvollen Flasche „Berliner Luft“ in die Runde gereicht und
beides hob die ohnehin schon großartige Stimmung noch weiter an.
Irgendwann nachdem die dritte Wodkaverkostung hinter uns gebracht
worden war verschwand Levi auf dem Klo und konnte erst nach 20
Minuten intensivem Zureden seiner Frau dazu gebracht werden es wieder
zu verlassen. Er war bleich, hohlwangig und hatte Ringe unter den
Augen, grinste aber gleichzeitig glücklich und mit sich zufrieden.
Zehn Minuten später konnten wir ihn aus dem Schlafzimmer schnarchen
hören.
Ein
gelungener Abgang, dass musste man ihm lassen.
Es war nach drei Uhr als
ich wieder bei mir ankam. Im Hausflur roch es übel, weshalb ich fest
davon ausging, das Jack den Weg zurück gefunden hatte. Unbehelligt
konnte ich mein Fahrrad abstellen und ging nach oben. Müde aber
glücklich fiel ich ins Bett.
Der üble Geruch weckte
mich.
„Was zur Hölle...?“
Es roch in meiner ganzen
Wohnung danach und als ich dem Geruch folgte wurde er in Richtung
Wohnungstür immer stärker. Als ich sie öffnete war der ganze
Hausflur voller Rauch. Und der Rauch stank.
Schnell rannte ich zurück
ins Schlafzimmer und zog mir meine Hose wieder an. Im Wohnzimmer lag
mein Pullover, zu meiner Beruhigung konnte ich schon Blaulicht in
meinen Fenstern flackern sehen. Im Flur schnappte ich mir den
Schlüssel und stieg schnell in meine Schuhe. Draußen klingelte ich
bei meinen drei Nachbarn Sturm. Die beiden in der Mitte reagierten
nicht, der Gegenüber öffnetet mit verschlafenen Gesicht.
„Was ist denn los?“
„Es brennt. Die
Feuerwehr ist schon da.“
Er war schlagartig wach,
nickte und schloss die Tür wieder. Ich rannte nach unten, immer zwei
Stufen auf einmal nehmend, hielt aber schon eine Treppe tiefer wieder
an und rannte wieder nach oben, an meiner Wohnung vorbei in den
letzten Stock und klingelte dort bei beiden Wohnungen. Rechts machte
ein alter Kerl auf, links ein junges Mädchen. Beide trugen nur weiße
Unterhose und Shirt, er Feinripp, sie Baumwolle. Unter anderen
Umständen hätte mich der Anblick des Mädchens durchaus erfreut.
„Es brennt. Alle raus.“
Beide begriffen sogleich.
Der alte Kerl zog einfach die Tür hinter sich zu und rannte so wie
er war, Schlüpfer und Shirt mit nach unten. Im zweiten Stock standen
Feuerwehrleute vor einer Tür und hämmerten wild dagegen.
„Aufmachen Feuerwehr!“
Tod stand in der Ecke und schien abzuwarten. Wir nickten uns kurz zu.
Unten sprintete ich noch
kurz in den Innenhof, aber der war verlassen. Horst stand schon vorm
Haus, Jack neben sich.
„Scheiße was ist den
los?“ fragte Jack. Seine Augen tränten und ich fragte mich wie es
möglich sein konnte, dass ihn der Rauch so reizen, ihn aber er sein
eigener Geruch nicht stören konnte.
Ich sah mir das Haus an
und konnte im zweiten Stock Flammen hinter einem Fenster ausmachen.
Immer mehr und mehr Leute kamen aus dem Haus darunter auch das
Mädchen aus dem letzten Stock, das inzwischen eine Hose an- und
ihren Freund plus einen blauen Müllsack dabei hatte. Die beiden
wurden von zwei Feuerwehrleuten quasi aus dem Haus geworfen, keiner
der vier wirkte besonders glücklich. Das Mädchen stolperte am
Bordstein, lies den Beutel fallen, der aufplatzte und eine Ladung
Klamotten freigab. Sie begann laut auf die Feuerwehr zu schimpfen,
ihr Freund stand mit glasigem blick daneben und starrte ins Nichts.
„Schau dir den mal an.“
hörte ich Horst neben mir. Er deutete mit einem Kopfnicken auf einen
Kerl im blauen Sportanzug vor uns.
„Es ist noch nicht mal
um Sechs und die ersten Jogger sind schon unterwegs.“ Horst
schüttelte den Kopf.
„He Fitnessfreak vergiss
nicht deine Werte zu checken.“ rief er zu dem Typ rüber, der sich
nach ihm umdrehte und das Gesicht verzog.
„Was soll denn der
scheiß?“ fragte er.
„Gibt hier nix zu sehen.
Verpiss dich und dreh deine Runden im Park Joggerboy.“ brummte
Horst.
„Ich geh nicht joggen,
du dummes Pferd.“
„Ach dann ist das wohl
dein Schlafanzug oder was?“ Der Kerl schnaubte nur und drehte sich
wieder zum Haus um. Holte sein Handy aus der Tasche und begann
Selfies vor dem brennenden Haus zu machen.
„Ich glaub mein Schwein
pfeift.“ sagte Jack.
„Und jetzt?“ fragte
Horst.
„Keine Ahnung.“
„Wie lange soll denn der
Zirkus hier dauern?“ Mir kam das erste mal der Gedanke dass Horst
sowohl von der Situation angepisst als auch ein kolossaler
Morgenmuffel war.
„Ich kann ja mal
fragen.“ Er schnaubte nur. Ich ging an dem Mädchen aus dem letzten
Stock vorbei, das inzwischen mit ihren Sachen auf dem Schoß auf dem
Bordstein saß und leise weinte. Ihr Freund stand immer noch daneben
und wirkte wie ein Roboter dem man den Strom abgestellt hatte.
„Entschuldigung.“ Der
Feuerwehrmann drehte sich um und hatte genau den epischen
Oberlippenbart, den ich mir immer bei Feuerwehrmännern vorgestellt
hatte.
„Ja?“
„Dauert das noch lange?
Also bis wir zurück in unsere Wohnung können meine ich.“
„Wir haben den Brand
zwar gelöscht, aber der Rauch muss noch raus. Zwei vielleicht drei
Stunden wird es noch dauern.“
„Zwei bis drei Stunden?“
Mir wurde plötzlich bewusst wie müde ich war.
„Sicherlich.“
„Okay danke.“ Ich ging
zurück zu Horst und Jack.
„Und?“
„Zwei bis drei Stunden
noch.“ sagte ich matt.
„Scheiße.“
„Und was machen wir so
lang?“
Jacks Magen knurrte.
„Wollen wir vielleicht
was essen gehen? Das Gilgamesh hier um die Ecke ist lecker.“
Gilgamesh hatte
glücklicherweise schon offen. Horst nahm Falafel im Brot, ich einem
3 Kombiteller und Jack einen Döner mit extra Fleisch. Wir hatte uns
draußen hingesetzt und genossen die ersten Sonnenstrahlen auf der
Haut beziehungsweise dem Pelz. Jack saß mir gegenüber und die
ersten paar mal, die er herzhaft in seinen Döner biss überlief mich
ein Schauer, aber das hielt nicht lange an. Meine Müdigkeit wurde
nur noch von meinem Hunger übertroffen.
„Der ist echt gut.“
sagte Jack zwischen zwei Bissen.
„Hmm hmm.“ murmelte
Horst kauend.
„Hab ich nicht gesagt
das es hier lecker ist?“
„ALLERDINGS.“
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